Chemische Großindustrie Hamburg

Übersicht

Unternehmen: International operierendes Chemie-Unternehmen mit mehreren tausend MitarbeiterInnen.

Ort: Hamburg

Jahre: 2015 – bis Heute

Branche:

Chemische Großindustrie

Erfahrungsbericht

Von der Betriebsgruppe in Hamburg.
Über die Arbeit der letzten Jahre

Wir sind IWW-Mitglieder die es momentan aufgrund arbeitstechnischer und privater Situation leider nur unregelmäßig schaffen sich zu treffen und zu kommunizieren. Positiv dabei ist, wenn wirklich wichtige Vorfälle passieren, treffen wir uns auch in der Arbeitszeit um kurz Informationen auszutauschen und zu beraten wie wir damit umgehen.

Unsere Alltagsprobleme sind sehr vielseitig: Arbeitsverdichtung durch ein Verbesserungsprojekt (von der Firmenleitung auferlegt in Zusammenarbeit mit diversen Unternehmensberatungen), schon vorher das Thema Arbeitssicherheit und der Umgang mit Arbeitsunfällen, ein sehr enttäuschender Betriebsrat um nur einige der Hauptfelder zu nennen, in denen wir gerade Handlungsbedarf sehen.

Das Firmenmanagement hat schon früh angefangen gewerkschaftliche Tendenzen nur in Richtung IG BCE zu kanalisieren, die IG BCE hat sich damit bedankt, dass sie die Sozialpartnerschaft zur obersten Maxime erhob und bis heute vehement gegen jede Opposition verteidigt. Ohne Rücksicht auf ihre Basis, die sich immer weniger gedeckt fühlt, was momentan in immer mehr Austritten aus der IG BCE resultiert. Das Hauptproblem, welches wir meinen zu erkennen, ist die Entsolidarisierung der Belegschaft auf ganzer Ebene. Im Zuge des Projekts wird gerade im letzten halben Jahr auch massiv mit Freistellungen und Aufhebungsverträgen um sich geworfen (besonders auf Ingenieursebene) dies erzeugt aber einen gewaltigen Druck auf der Ebene der Arbeitenden. Ebenfalls wird jeder der die Firmenphilosophie und das „goldene Kalb“ die Arbeitsunfallstatistik und ihre Instrumente angreift als Querulant abgetan (der Betriebsrat unterstützt dies teilweise, was die Position des Betriebsrats in der Belegschaft noch weiter runter zieht).

Angefangen hat es mit einer Flugschrift – als Reaktion zu einer Betriebsversammlung – das war Anfang 2015, in der antigewerkschaftliche Rhetorik des Vorstands aufgegriffen und gegen die polemisch argumentiert wurde. Das gab viel positives Feedback von Kollegen, der Betriebsrat war nicht so begeistert. Kurz darauf, durch dieses Flugblatt, konnten wir die Betriebsgruppe gründen.

Anfang 2016 gab es einen rassistischen Vorfall in einem unserer Produktionsbetriebe, auf der Betriebsversammlung haben wir in Absprache mit dem Betriebsrat eine Transpi-Aktion gemacht, womit wir quasi das erste Mal öffentlich auftraten. Es gab leider nur wenig Resonanz, sowohl Betriebsräte als auch Vertrauensleute sprachen sich aber positiv aus zur Aktion. Die letzte Aktion war, so glauben wir, der übelste Paukenschlag der letzten 10 Jahre auf dem Werk in Hamburg.

Wir schrieben zusammen mit ein paar anderen Kollegen, die nicht der Betriebsgruppe angehören, einen Brief, in dem wir offen alles was der Betriebsführung heilig war, angriffen. Nachdem sich sich der Betriebsrat weigerte, verlasen wir ihn auf einer Betriebsversammlung im Dezember 2016. Es war großartig. Aufgrund der kurzen Zeitspanne war es nicht möglich die nicht organisierten Kollegen über unser Vorhaben zu informieren. Es war aber eine wirklich atemraubende Stimmung nach jedem Absatz. Der Applaus und die Unterstützung durch Jubel hat anscheinend auch die Werksleitung unerwartet getroffen. Die Werksleitung hat versucht den Brief und seine Informanten, vor allem aber den Vorlesenden Fellow Worker zu denunzieren und zu relativieren. Ehrlich gesagt hatten wir uns auf so direkte verbale Angriffe nicht ausreichend vorbereitet. Und mussten aufgrund der Einschüchterung in den letzten Abschnitten einiges weglassen.

Ein halbes Jahr später müssen wir sagen, wir haben damit in ein Wespennest gestochen. Positive Auswirkungen auf unsere Betriebsgruppe hatte es keine, wir haben viel Respekt gezollt bekommen von Kollegen und auch aus Führungskreisen, momentan ist aber die Angst vor Entlassungen so groß, dass es schwer ist größer zu werden. Unser Informantenkreis ist erst mal geschrumpft, es gab sogar die Anweisungen in einer Werkstatt man soll sich doch bitte überlegen mit wem man über werkstattinterne Regelungen wie z.B. bei Arbeitsunfällen redet.

Wir sind momentan ein bisschen ratlos, inwieweit uns die IWW helfen kann mit der Betriebsgruppe. Zum einen, meinen wir wahrzunehmen, dass Gewerkschaften die hinter Betriebsaktiven stehen, die Zahl der Aktiven relativiert und eventuell eher Interesse am betrieblichen Engagement wecken können, als wenn man halt sagt, wir sind da so eine Gruppe von Kollegen. Das war der Grund warum wir uns über die Flyer und das Transpi offen zur IWW bekannt haben. Um aber unnötigen Diskussionen über die IWW auf der Betriebsversammlung aus dem Weg zu gehen, und ein Großteil der Informationen von außerhalb unserer Betriebsgruppe reinkam, hielten wir es für besser die IWW an der Stelle raus zuhalten. Wir wissen nicht ob das eine vernünftige Strategie war und werden in Zukunft noch ein bisschen experimentieren.

Egal wie aussichts-, freud-, und inhaltslos ein Arbeitsalltag auch sein mag, egal wie groß der Konzern, Firma oder Familienbetrieb auch sein mag in dem ihr seid und euer Arbeitsdasein fristet, es lohnt sich immer dagegen aufzulehnen und zu rebellieren, denn es ist euer Leben, das diese Firmen da verwerten, 8 Stunden und mehr pro Tag, da müssen wir um mehr Mitbestimmung kämpfen. Bis eine andere Welt möglich ist.

Solidarity forever
Eure Wobblies aus der Hamburger Betriebsgruppe

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Fotos & Videos

Flickr: Eric Kohler
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