Übersicht
Nicht-Regierungsorganisation: Brandworkers International, eine der IWW nahestehende Organisation zur Unterstützung von Selbstorganisation von Arbeiter*innen in der Lebensmittelproduktion
Ort: New York City
Besonderes: Seit 2007 arbeitet Brandworkers International nach IWW Konzept darin sich mit ArbeiterInnen in der Lebensmittelproduktion zu organisieren. Ihre Arbeit basierte zu Beginn vor allem auf den Erfahrungen aus der Starbucks Workers Union. Im Moment arbeiten dort 5 Hauptamtliche und helfen KollegInnen in der ca. 14.000 ArbeiterInnen starken Lebensmittelproduktion in New York City.
Sie sind ebenfalls Mitglied der Food Chain Workers Alliance die versucht ArbeiterInnen gemeinsam anhand der Wertschöpfungskette (Produktion – Großhandel – Supermärkte & Restaurants) zu organisieren.
Jahre: Januar 2017 – April 2017
Branche:
Gastronomie & Einzelhandel, Lebensmittelproduktion
Weiterführende Infos:
Informationen über Worker Centers
Amys Bread Kampagne
„Feeding New York“ – Untersuchungsbericht zu den Arbeitsbedingungen in der Lebensmittelproduktion in NYC
„The Hand That Feeds“ – Dokumentation zur Organisierung von ArbeiterInnen in der Lebensmitteproduktion in NYC
Erfahrungsbericht
Von Emil Bohrdt.
Über sein Praktikum bei den Brandworkers von Januar bis April 2017
Brandworkers ist eine den Industrial Workers of the World (IWW) nahestehende Nichtregierungsorganisation (NGO), die 2007 in New York gegründet wurde. Inspiriert wurde dieses Unterfangen von der dortigen Bewegung der ‚Worker Centers‘, die außerhalb der – auch in den USA sehr eingeschränkten – Praxis der großen Gewerkschaften einen Raum öffnen wollte, um vor allem auch Migrant*innen und Kolleg*innen im Niedriglohnsektor zu organisieren. Das Ziel von Brandworkers war es von Anfang an, Menschen unabhängig von ihrem Migrationsstatus sowie ihrer individuellen Prekarität/sozialen Lage eine Möglichkeit zur Organisation von gemeinsamen Widerstand in ihren Betrieben sowie darüber hinauszu geben. Die gewählte Form einer weitgehend professionalisierten NGO mit hauptamtlichen Personal wurde hierbei damit begründet, dass der erhöhte Aufwand zur erfolgreichen Organisierung der betreffenden Personenkreise anders kaum zu bewältigen sei.
In die Zeit meines Praktikums fielen die Amtseinführung Donald Trumps als Präsident der Vereinigten Staaten sowie ein Großteil seiner ersten 100 Tage im Amt. Entsprechend war die Stimmung unter Linken in den USA, als auch unter den vielen Migrant*innen in New York, geprägt von einer Mischung aus Angst und Resignation – aber auch zunehmender Kampfeslust. Brandworkers befand sich gleichzeitig in einer Phase der inhaltlichen wie personellen Umstrukturierung.
Aus den verschiedenen Kämpfen der letzten zehn Jahre in der Lebensmittelproduktion zogen die Beteiligten den Schluss, dass sie das ‚losere‘ Organisationsformat eines ‚Worker Centers‘ in Zukunft durch eine ‚feste‘ gewerkschaftliche Organisation innerhalb IWW ersetzen wollten.
Aus den verschiedenen Kämpfen der letzten zehn Jahre in der Lebensmittelproduktion und -Weiterverarbeitung zogen die Beteiligten den Schluss, dass sie das ‚losere‘ Organisationsformat eines ‚Worker Centers‘ in Zukunft durch eine ‚feste‘ sektorenbezogene gewerkschaftliche Organisation innerhalb der IWW ersetzen wollten. Ausgangspunkt dafür sollten Kolleg*innen in lokalen Großbäckereinen sein, da Brandworkers hier bereits einige Mitglieder hatte. Diese arbeiteten zum einen bei ‚TomCat Bakery‘ (mit ca. 200 Beschäftigten) und zum anderen bei Amy’s Bread (mit ca. 150 Beschäftigten), die beide eher hochpreisige Backwaren an lokale Restaurants und Cafés lieferten. Amy’s Bread betrieb zusätzlich noch mehrere Verkaufsläden, in denen aber nicht organisiert wurde.
Während des Praktikums unterstützte ich alle ‚Abteilungen‘ innerhalb von Brandworkers – den Programmbereich (strategische Ausrichtung), das Fundraising/Spendensammlung? und das Organizing. Zu Beginn lag der Fokus dabei eindeutig auf Amy’s Bread, da es dort aktuelle Verhandlungen über den Abschluss eines sogenannten ‚Workplace Justice Agreements‘ gab. Solche ‚Agreements‘ sind gegenseitige Vereinbarungen zwischen der Geschäftsführung und den Beschäftigten. Die Brandworkers hatten bereits in der Vergangenheit regelmäßig solche Vereinbarungen eingesetzt , um Mindeststandards für Arbeitsbedingungen sowie eine bessere Entlohnung auch außerhalb eines ‚klassischen‘ Tarifvertrags durchzusetzen.
Das Hauptproblem der beiden Organizer waren hier vor allem die hohen Hemmschwellen für eine langfristige Beteiligung der Kolleg*innen in beiden Bäckereien. Viele der Arbeitenden hatten beispielsweise noch einen zweiten – meist gleichfalls schlechtbezahlten – Job, lange Wege von ihrem Zuhause zur Arbeit oder diverse familiäre wie anderweitige Verpflichtungen, die ihre ‚freie‘ Zeit auf ein absolutes Minimum reduzierten. Etliche Migrant*innen fürchteten außerdem, dass sich ein allzu großes Aufbegehren im Betrieb negativ auf ihre Aufenthaltsmöglichkeit in den USA auswirken könnte.
Diese strukturellen Hemmnisse wurden vom Management voll ausgenutzt und gerade im Fall von Amy’s Bread von einer Umarmungs- und Blockadetaktik verstärkt. So wurde zum einen immer wieder die ‚freundliche‘ und ‚offene‘ Atmosphäre in einem Betrieb mit vermeintlich ‚flachen‘ Hierarchien betont. Der Fokus wurde so zeitweise erfolgreich von den Arbeitsbedingungen hin zum ‚tollen‘ Umgang aller Beteiligten miteinander verschoben. Ein Beispiel hierfür war etwa die Zustellungen eines Geschenkpakets an Kolleg*innen mit neugeborenem Kind. Gleichzeitig wurde aber bessere Bezahlung und planbarere Arbeitszeiteinteilung verweigert! Zum anderen wurde die ganze Zeit zwar weiter über eine gemeinsame Vereinbarung (das ‚Justice Agreement‘) verhandelt, doch wurden vom Management stetig neue Änderungen vorgebracht, um den Prozess zu verlangsamen bzw. zum Erliegen zu bringen. Trotz dieser Probleme stand die Vereinbarung gegen Ende meines Praktikums kurz vor der Unterzeichnung. Nicht zuletzt war dies Aktionen geschuldet, die Druck auf zentrale/wichtige/regelmäßige Käufer*innen der Backwaren von Amy’s Bread machten – z.B. regelmäßige Flyer-Aktionen vor einem schicken Restaurant in Brooklyn (ein Stadtteil von New York). Das Problem eines langfristigen Engagements der Kolleg*innen, auch über eine solche Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen hinaus, blieb jedoch erhalten.
Die bedeutendste Erfahrung während meiner Zeit in New York war sicherlich die großartige spontane Unterstützung von Kolleg*innen bei TomCat Bakery.
Die bedeutendste Erfahrung während meiner Zeit in New York war sicherlich die großartige spontane Unterstützung von Kolleg*innen bei TomCat Bakery. Diese Kolleg*innen sollten aufgrund einer Aufenthaltsprüfung ihre Jobs verlieren und Brandworkers, die lokale Ortsgruppe der IWW sowie unzählige weitere Unterstützer*innen wollten dies verhindern. Verschiedene direkte Aktionen, u.a. einer Blockade der Lieferwägen von TomCat, führten zu in einer großen Demonstration am 1. Mai – die ich leider nicht mehr selbst vor Ort miterleben konnte.
Ich bin mir sicher, dass Brandworkers auch in Zukunft erfolgreich zusammen mit der IWW seinen Weg gehen wird. Persönlich würde ich dabei vielleicht mehr Fokus auf die Weiterbildung von Mitgliedern legen, um ihnen die strukturellen Ursachen ihrer eigenen Lage näherzubringen. Zudem würde ich empfehlen, interne Hierarchisierung auf Grundlage der hauptamtlichen Arbeit sowie der allgemeinen Professionalisierung als NGO konsequent kritisch zu prüfen – was jedoch auch schon in Ansätzen während meiner Zeit geschah. Die unzähligen tollen Erfahrungen während des Praktikums – und mit dem großartigen Team sowie den Mitgliedern von Brandworkers – werden mir indes sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben.
Dafür bin ich allen Beteiligten überaus dankbar!