Übersicht
Unternehmen: Bildungsstätte in Brandenburg
Ort: Brandenburg
Besonderes: Stiftung des öffentlichen Rechts mit fünf Standorten rund um Berlin. (Unter)Finanzierung durch öffentliche Gelder des Landes und Bundes. Ca. 120 Mitarbeiter*innen, „vertreten“ durch resignierten Personalrat. Vorhandene Bereiche: Bildung und Betreuung von jährlich ca. 700 000 Besucher*innen (Tendenz steigend). Besucht vor allem von Schulklassen aus dem In- und Ausland, Wissenschaft, Verwaltung.
Jahre: 2013 – 2016
Branche:
Erfahrungsbericht
Von Frieda Heumann.
Über die Organisierung und den Verlauf von drei Jahren Betriebsarbeit.
Alltagsprobleme
Neben der bereichsübergreifenden Unterbezahlung der Beschäftigten mit immensen Überstunden, die weder ausbezahlt noch abgebummelt werden können, stellen Intransparenz, fehlende Gestaltungsmöglichkeiten und Angst die Macht des tyrannischen Stiftungschefs sicher. Ein weiteres Problem bilden die weiten Anfahrtswege, die auch für die Organisierung, Planung und Durchführung von Aktionen hinderlich waren. So konnte lediglich ein Teil der Beschäftigten, vorrangig befristet angestellte Student*innen und Minijobber*innen, erreicht werden. Viele ließen im Laufe des Arbeitskampfes aus Frust und teilweise Protest ihre Verträge auslaufen. Diejenigen, die weiter kämpften, hatten jedoch nie ein gemeinsames Ziel, z.B. Festanstellung.
„Ich mache meine Arbeit sehr gerne, kann sie mir aber kaum noch leisten.“
Worauf wir uns einigen konnten, bringt folgender Titel unseres Flugblattes anlässlich der Personalversammlung im Jahr 2014 zum Ausdruck: „Ich mache meine Arbeit sehr gerne, kann sie mir aber kaum noch leisten.“
Spaltungstechniken des Managements
Zunächst versuchte die Leitung, den Aufruf zu Verhandlungen um unsere Forderungen (Lohnerhöhung, Fahrtkostenzuschüsse und Mitspracherecht) zu ignorieren. Damit heizten sie die Kampfbereitschaft unter den Beschäftigten einmal mehr an. Nachdem wir nicht locker ließen, stellte uns der Chef höchstpersönlich einen bereits abgesegneten Plan vor, der die Ausgliederung der gesamten Abteilung vorsah – wir sollten in die Freiberuflichkeit entlassen werden. Als auch dies nur mehr Protest unsererseits verursachte, holten sie das komplette Arsenal an Repressionsmaßnahmen hervor: von Einzelgesprächen, über das Verbreiten von Falschinformationen über unsere Beschäftigtengruppe inerhalb der Stiftung bis hin zu Abmahnung und Kündigung von aktiven Kolleg*innen. Damit waren wir als Gruppe isoliert. Weitere Drohungen, bestimmte Kolleg*innen nicht weiter zu beschäftigen, die sich gegenüber der Leitung kritisch geäußert hatten, sorgten für Spaltungen innerhalb der Gruppe. Gingen sie nicht „freiwillig“ – nach Vertragsablauf oder aufgrund ihrer Weigerung, ihre kritischen Äußerungen schriftlich zurückzunehmen –, hielten sie fortan aus Angst von jeglichen Arbeitskampfmaßnahmen Abstand. Nur wenige bemühten sich, die Neueingestellten über die Geschehnisse zu informieren. Einige von ihnen führen teilweise bis heute die Diskussionen um unsere miesen Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten, diese zu ändern, fort. Damit deckten sie willkürliche
Entscheidungen über Vertragskonditionen Einzelner auf, woraufhin sich diese wehren konnten.
Aktionen
Wir haben vor allem an Anfang viel mit Petitionen gearbeitet, die eine Delegation an die entsprechenden Leitungskräfte überreichte. Aufgrund unseres Durchhaltevermögens und der kollektiven Durchsetzungskraft fanden mehrere Gespräche mit der Führungsebene statt, die jedoch einen Verhandlungscharakter entbehrten. Im Nachhinein ist dies unserer Vorgehensweise verschuldet: Statt mit einem kleineren Kreis von Kolleg*innen eine leicht realisierbare Forderung in einer direkten Aktion zu stellen (sog. Zündkerzenaktion), überreichten wir einen 1 1/2-seitigen Forderungskatalog, der als Paket natürlich auf Ablehnung stieß. Damit war auch das Eskalationsniveau rasant gestiegen und verhinderte, dass sich ängstliche Kolleg*innen aus anderen Abteilungen mit uns solidarisierten. Zudem verhinderte unser anfängliches Vorgehen eine Aktionsorientierung, die uns ermächtigen hätte können. Den Plan, sich kollektiv krank zu melden, setzten wir mangels Bereitschaft unter den Kolleg*innen nie um. Wir hätten uns langsam zu solch eskalativen Aktionen herantasten müssen. Doch an dem Punkt des Arbeitskampfes wäre es nötig gewesen, „härtere Bandagen“ anzulegen. Wir waren leider nicht so weit, weswegen einzelne Kolleg*innen die Intiative ergriffen und individuell auf hohem Eskalationsniveau handelten. Damit erzielten wir einerseits Erfolge, andererseits überforderte es die Gruppe in solchem Maße, dass eine Solidarisierung mit denen, die bewusst das Risiko der Entlassung in Kauf genommen hatten, nicht möglich war.
Nichtsdestotrotz behielten wir eine Zeit lang die Oberhand und steuerten den Prozess. So kaperten wir erfolgreich die Personalversammlung nach der Ankündigung uns auszugliedern, wovon ein Großteil der Beschäftigten inklusive der verdi-Gewerkschaftssekretärin nachhaltig beeindruckt waren.
Außerdem, wiederum den weiten Anfahrswegen verschuldet, arbeiteten wir viel mit E-Mails. Z.B. spamten wir die Leitung zu mit Absagen, als sie uns zu einem „Informationsgespräch“ mit 48-stündigem Vorlauf „einluden“ bar jeglicher Vorstellung davon, dass wir alle weitere Jobs haben oder studieren müssen. Das machte sie unglaublich nervös und gab uns ein befriedigendes Gefühl.
Erfahrungen, die uns am meisten im Kopf geblieben ist
Letztlich waren es vorrangig unsere gut geplanten Aktionen, bei denen wir den Chefs mit einem einheitlichen Vorgehen gegenüber traten, die im kollektiven Gedächtnis verblieben sind.
Letztlich waren es vorrangig unsere gut geplanten Aktionen, bei denen wir den Chefs mit einem einheitlichen Vorgehen gegenüber traten, die im kollektiven Gedächtnis verblieben sind. Es waren die Momente, in denen sich die von der Leitung geäußerte Wertschätzung unserer Arbeit als Lippenbekenntnis entlarvte und uns einmal mehr in unserem Begehren nach Mitsprache bestärkte. Wir bereiteten der Führungsebene schlaflose Nächte, sodass eines Tages auch unserem yrannischen Chef ein Fehler unterlief: Bei einer unserer E-Mail-Spam-Aktionen reagierte er mit einer von Panik zeugenden Nachricht, die er jedoch nicht an seine Verwaltungsvorsitzende schickte, sondern an eine Kollegin. Sie antwortete ihm sofort, nicht ohne uns alle ins CC zu setzen – eine Blamage, die wir nie vergessen werden.
IWW-Bezug
Eine aktive Kollegin gehört der IWW an, wandte ihre Kenntnisse auch an und gab diese bereitwillig weiter. Doch da sie erst mit Beginn des Arbeitskampfes angestellt worden war, wurde es nie eine explizite IWW-Kampagne. Außerdem bot zu dem Zeitpunkt die Ortsgruppe keinerlei Unterstützung ähnlich wie die DGB-Gewerkschaften. Die Selbstorganisierung ist quasi „organisch“ entstanden. Unsere Organisierung mit den Kolleg*innen konnte schließlich unserer Vereinzelung auf Arbeit entgegen wirken, wozu Stellvertreterpolitik niemals in der Lage gewesen wäre.
Das möchten wir unseren Kolleg*innen im Bildungsbereich mitteilen
Ein Arbeitskampf ist anstrengend. Bei uns ist eine aktive Kollegin und Schlüsselperson krank geworden und musste sich deswegen vom Arbeitskampf fernhalten, viele haben aus lauter Frust gekündigt bzw. ihre Verträge nicht verlängert und es entstand mit der Zeit mehr und mehr Uneinigkeit hinsichtlich unserer Taktik. Dennoch hat unser Druck gewirkt: Die Ausgliederung konnte zwar nicht komplett verhindert werden, doch zum Einen musste die Leitung die studentische Beschäftigung beibehalten und zum Anderen den nun Freiberuflichen einen guten Stundenlohn geben. Außerdem ist unser direkter Vorgesetzter, der stets ohne Rücksicht auf Verluste seine eigene Agenda verfolgte, für zwei Jahre in den Elternurlaub gegangen.
Die wichtigste Errungenschaft für uns war jedoch der Umstand, dass wir während des Arbeitskampfes gut funktionierende Kommunikationsstrukturen aufgebaut haben, die bis heute für Informationsfluss und Transparenz sorgt – ein gutes Instrument, um einen neuen Versuch zu starten!